Rezensionen

Rezension von April1985


Als eine übelst verstümmelte Leiche aus der Stadtkloake Stockholms gefischt wird, wird der sterbenskranke Jurist Cecil Winge hinzugezogen. Zusammen mit dem Veteranen Jean Michael Cardell, dem Finder der menschlichen Überreste, macht er sich auf die Suche nach dem Täter.
⭐⭐⭐⭐
Was sich zunächst "nur" wie ein Krimi anhört, ist soviel mehr. Der Autor vereint gekonnt historisches Wissen mit kriminalistischen Elementen. Er zeichnet ein ehrliches und brutales Bild eines Stockholm des 18. Jahrhunderts. Zart beseitet sollte man beim Lesen nicht sein. Selbst mir als erfahrene Thriller-Leserin und Horrorjunkie ist an so mancher Stelle des Buches dezent übel geworden. Daher habe ich auch einen Stern bei der Bewertung abgezogen.
⭐⭐⭐⭐
Wer sich auf eine spannende Zeitreise einlassen will und vor ao mancher Abscheulichkeit nicht zurück schreckt, sei dieses Buch ans Herz gelegt. Es wurde nicht umsonst mit dem schwedischen Krimipreis ausgezeichnet

Rezension von Ele


1793, Historischer Kriminalroman von Niklas Natt och Dag, 496 Seiten, erschienen im Piper-Verlag.
Im Stockholm des Jahres 1793 geht es den Menschen sehr schlecht. Der Krieg hat die Kassen geleert und um den Thron entbrennt ein erbitterter Machkampf.
Der Häscher Nickel Cardell, fischt eines Morgens eine, mit höchster chirurgischer Präzision, verstümmelte Leiche aus der Stadtkloake. Zusammen mit Cecil Winge, dem todkranken, genialen Juristen versucht er die Identität des Toten zu ermitteln, je weiter die Recherchen voranschreiten, desto grausiger werden die Entdeckungen.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert, jeder Teil umfasst eine Jahreszeit, es beginnt im Herbst 1793 mit der Entdeckung des Leichnams, die weiteren Teile Sommer und Frühling 1793 gehen zurück in der Zeit, beim letzten Abschnitt Winter 1793 schließt sich der Kreis und der Mordfall und seine Hintergründe werden geklärt. Für mich etwas ungewöhnlich, da in jedem Abschnitt ein anderer Charakter „Hauptperson“ ist, spätestens im dritten Teil kann sich der Leser jedoch die Zusammenhänge erklären und somit der Geschichte gut folgen. Am besten hat mir der dritte Abschnitt über das Schicksal der jungen Anna Stina gefallen, da habe ich die Seiten geradezu verschlungen. Die einzelnen Abschnitte sind mit großen Überschriften gekennzeichnet und mit Aphorismen und Aussagen berühmter Zeitgenossen von 1793 versehen. Natt och Dag hat m. M. nach hier etwas Hervorragendes geschaffen. Die Personen sind so lebendig gezeichnet, dass ich sie bei der Lektüre stets vor Augen hatte. Heftige Dialoge, die nicht mit Kraftausdrücken sparen, machen das Buch lebendig. Etwas verwirrend fand ich die Namen der Orte in schwedischer Sprache. Um mich zurechtzufinden, hat aber die Karte von Stockholm Ende des 18. Jahrhundert auf der inneren Umschlagseite vorne geholfen. Dass der Autor eine umfassende Recherchearbeit geleistet hat, merkt man seinem Werk unbedingt an. Die Lebensumstände im Mittelalter werden unglaublich gut beschrieben und waren wohl tatsächlich wie oft geschildert, nur im alkoholisierten Zustand zu ertragen. Niklas Natt och Dag hat m.E. mit Worten ein Gemälde der damaligen Zeit geschaffen, die Gerüche, die Grausamkeiten, die Verwahrlosung, Armut und Ungerechtigkeiten sind glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, dabei bedarf es bei der Lektüre an manchen Stellen, z.B. Auffindung der Leiche, Hinrichtungen, oder als Anna Stina auf die verschwundene Alma Gustafsdotter trifft, schon eines guten Magens. Obwohl ich beim Lesen nicht zimperlich bin, fand ich diese Passagen ziemlich heftig.
Die Charaktere handelten nachvollziehbar und waren sympathisch, besonders berührt hat mich das Leben der jungen Stina Anna, der so viel Ungerechtigkeit widerfuhr. Tapfer und klug hat sie sich auch in auswegloser Situation nicht unterkriegen lassen. Alle Facetten menschlicher Schicksale sind in diesem Werk sehr bewegend geschildert. Das Buch hat mich sehr berührt und ich konnte es kaum aus der Hand legen, immer wieder musste ich innehalten, tief Luft holen und über das Gelesene nachdenken. Der lungenkranke Cecil Wings und auch der einarmige Häscher Cardell waren tolle Charaktere und überaus unterhaltsam. Eine furchtbare Zeit. Unglaublich wie grausam der Mensch, dem Menschen sein kann. Ein Buch das ich jedem nur empfehlen kann. Ins Detail geschilderte Grausamkeiten, Elend und Perversionen setzen aber einigermaßen hartgesottene Leser voraus. Niklas Natt och Dag hat den schwedischen Krimipreis wirklich verdient und von mir bekommt er dazu 5 Sterne.

Rezension von heinoko



Das Cover verheißt ein besonderes Buch. Und das ist es in der Tat, ein besonderes Buch. Es gibt Bücher, die liebt man. Und es gibt Bücher, die bewundert man, weil sie „besonders“ sind, aber man liebt sie nicht. So erging es mir mit der vorliegenden Geschichte. Ich war tief beeindruckt von der immensen Kraft, die in den Zeilen steckt, von der gewaltigen Ausdrucksstärke des Autors, die so intensiv war, dass ich mich dabei ertappte, wie ich szenenweise nur noch durch den Mund atmete, um nicht dem beschriebenen Gestank ausgesetzt zu sein.
Der Klappentext ist relativ sparsam: „Stockholm im Jahr 1793: Ein verstümmeltes Bündel treibt in der schlammigen Stadtkloake. Es sind die Überreste eines Menschen, fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Der Ruf nach Gerechtigkeit spornt zwei Ermittler an, diesen grausamen Fund aufzuklären: den Juristen Cecil Winge, genialer als Sherlock Holmes und bei der Stockholmer Polizei für »besondere Verbrechen« zuständig, und Jean Michael Cardell, einen traumatisierten Veteranen mit einem Holzarm. Schon bald finden sie heraus, dass das Opfer mit chirurgischer Präzision gefoltert wurde, doch das ist nur einer von vielen Abgründen, die auf sie warten …“
Cecil, der unheilbar an Tuberkulose erkrankte geniale Ermittler, und sein traumatisierter einarmiger Mitstreiter Jean Michael scheinen in diesem Roman die einzig Guten zu sein in einer Welt, die nur Abschaum beherbergt, in der Brutalität, Ausbeutung und Bestechung die geltende Währung darstellen und in deren Abgründen man nichts als stinkende Exkremente zu finden scheint. Der Kriminalfall, der nicht sonderlich spannend ist, tritt in den Hintergrund, denn die schier grenzenlose Brutalität, die Gewalt in all ihren Erscheinungsformen nimmt den größten, beeindruckend abstoßenden Raum ein, doch außer grenzenlosem Ekel bleibt beim Leser nicht viel in Erinnerung. Ich hätte mir mehr differenzierte Atmosphäre gewünscht, denn auch diese brutale Zeit hatte sicher mehr zu bieten als nur bestialisch stinkende Abgründe in den Straßen und in den Köpfen. Beim Lesen fühlte ich mich, als sei ich in unterirdischen, gefährlich dunklen Katakomben unterwegs, deren abzweigende Gänge immer wieder neue Geschichten der Brutalität eröffneten, sodass ich Mühe hatte, mich darin nicht hoffnungslos zu verirren. Und letztlich war ich erleichtert, als das Buch beendet war und ich wieder frische Luft atmen konnte…

Rezension von Ulrike Weinhäupl


tockholm im Jahr 1793: Ein verstümmeltes Bündel treibt in der schlammigen Stadtkloake. Es sind die Überreste eines Menschen, fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Der Ruf nach Gerechtigkeit spornt zwei Ermittler an, diesen grausamen Fund aufzuklären: den Juristen Cecil Winge, genialer als Sherlock Holmes und bei der Stockholmer Polizei für "besondere Verbrechen" zuständig, und Jean Michael Cardell, einen traumatisierten Veteranen mit einem Holzarm. Schon bald finden sie heraus, dass das Opfer mit chirurgischer Präzision gefoltert wurde, doch das ist nur einer von vielen Abgründen, die auf sie warten ...

Rezension von Bellis-Perennis


Stockholm 1793 – eine Stadt voller Armut, Militär, korrupten Beamten und über allem schwebt ein Hauch von Revolution. Grund genug für die Ordnungshüter jedwedes Aufmucken im Keim zu ersticken. Es reicht ein unbedachtes Wort, ein neidischer Nachbar und schon ist man in den Fängen der Obrigkeit, die ihre Macht und Willkür weidlich ausnützt. Frauen, die der Hurerei beschuldigt werden, landen im Spinnhaus, aus dem sie selten lebend wieder herauskommen.

Wohltuend anders sind die beiden Ermittler, die die Identität eines Mordopfers, dessen Torso man aus dem, zur Kloake verkommenen Flusses geborgen hat. Zum einen handelt es sich um den verbitterten Kriegsveteranen Jean Michael Cardell, der seine hölzerne Unterarmprothese recht gut einzusetzen weiß, und zum anderen um den „Agenten für spezielle Fälle“ Cecil Winge, einem an Schwindsucht erkrankten Juristen, dessen Lebensziel ist, diesen Mord aufzuklären. Denn eines ist bald klar, dem Mordopfer sind die Gliedmaßen, Augen und Zunge mit chirurgischer Präzision entfernt worden. Besonders auffällig, zwischen den Amputationen hatten die Stümpfe immer wieder Zeit zu heilen. Und genau das Wissen um eine solche Heilung spannt Winge mit Cardell zusammen.

Das zusammengewürfelte Ermittler-Duo passt perfekt zu dieser düsteren Grundstimmung. Es scheint, als wollte niemand dieses Verbrechen enträtseln. So ermitteln die beiden scheinbar völlig auf sich allein gestellt und unbehelligt. Erst nach und nach erschließen sich die Zusammenhänge.
Durch ihre Recherchen kommen sie einem Geheimclub, dem reiche und honorige Mitglieder der Stockholmer Gesellschaft angehören, gefährlich nahe. Wird es ihnen gelingen, den Mord aufzuklären und die Täter zur Verantwortung zu ziehen?

Meine Meinung:

Wer hier einen lockeren historischen Krimi vermutet, wird eines Besseren belehrt. Das Setting ist schmutzig, brutal, widerlich und der Zeit angemessen. Das soziale Umfeld ist durch eine dünne adelige Oberschicht, eine Reihe schlecht bezahlter Beamter und einem Heer von mittellosen Menschen geprägt. Da fackeln die Stadtväter nicht lange: Vagabundieren wird nicht geduldet und die Obdachlosen landen in Besserungsanstalten oder Arbeitshäusern, wo sie gedemütigt und geschunden werden sowie der Willkür des sadistischen Personals ausgesetzt sind.

Mehrmalige Perspektivenwechsel erhöhen die Spannung. Die Ermittler landen in Sackgassen, erleiden Rückschläge, werden überfallen und sind dennoch besessen davon, den Fall zu lösen.

Sehr interessant finde ich die Vorgehensweise des Cecil Winge, der in Cardell aufgrund seiner eigenen Amputation, einen Spezialisten für chirurgische Eingriffe sieht. Es ist die Zeit, wo die Chirurgie als Handwerk zählt. Chirurgen sind in den seltensten Fällen ausgebildete Mediziner, häufig Henker, Barbiere und Feldschere. Erst im Laufe der nächsten Jahre, der Napoleonischen Kriege, die ganz Europa überziehen, wird ein Umdenken einsetzen. Übungsobjekte sind ja dann genügend vorhanden.

Die Charaktere sind teilweise recht skrupellos. Selbst das Ermittler-Duo ist nicht gefeit davor, zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen, um der Aufklärung näher zu kommen. Wie zu dieser Zeit üblich, fließt Alkohol in Strömen, wird geprügelt, gestohlen und auf der Straße kommt das Recht des Stärkeren zur Anwendung.

Wir erfahren, warum die Hauptdarsteller so sind, wie sie sind. Immer wieder werden historische Details subtil und unterschwellig eingeflochten. Für diejenigen Leser, die mit dieser Epoche nicht so vertraut sind manchmal schwer fassbar. Doch für mich ist das Buch ein toller Lesegenuss, auch wenn die cloaca maxima und die Armut zwischen jeder Buchseite hervorstinken.

Faszinierend ist auch das Cover: Die ausgesparte Jahreszahl aus der eine Ansicht von Stockholm hervorlugt. Der leuchtend rote Blutfleck suggeriert schon einen blutigen Inhalt.

Fazit:

Ein Thriller, der nichts für schwache Nerven ist, aber denjenigen, die sich auf die Lektüre einlassen, ein bildgewaltiges Meisterwerk der Erzählkunst bescheren.

Rezension von Harakiri


Eine düstere Epoche: man schreibt das Jahr 1793 und in der Gosse wird die Leiche eines Mannes gefunden, dem alle Gliedmaßen entfernt wurden. Jurist Cecil Winge und ehemaliger Stadthäscher Jean Michael Cardell sollen den Mörder und die Hintergründe der Tat entlarven. Doch sie stehen vor einer Wand des Schweigens. Scheinen doch höhergestellte Menschen, die Aufklärung verhindern zu wollen.
Das Buch ist aufgeteilt in 4 Teile.
Teil 1: das Auffinden der Leiche, das Kennenlernen von Mickel und Cecil und deren Suche nach dem Mörder.
Teil 2: der Mörder und wie er dazu wurde
Teil 3: das Mädchen, das der Hurerei bezichtigt wird
Teil 4: die finale Jagd auf den Mörder
Ich fand ein wenig schwer in die Handlung, weil die Sprache ein klein wenig den damaligen Verhältnissen angepasst war und ich so etwas brauchte, bis ich auch die Namen und die Hintergründe ein bisschen besser verstanden habe. Teil zwei und drei fand ich aber sofort gelungen.
Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die 3 Teile nicht nacheinander erzählt werden, sondern abwechselnd miteinander. Das hätte nicht so den Eindruck erweckt, dass es 3 Kurzgeschichten in einem Buch sind. Denn die beiden Teile starten einfach ohne Erklärung mit den jeweiligen neuen Personen, was mich anfangs verwirrt hat. Doch die Geschichten der beiden neuen Protagonisten braucht es. Und die haben es echt in sich. Niklas Natt ogg Dag schreckt auch vor grausamen Szenen nicht zurück und so manche Made kriecht durch einen toten Körper. Tief bewegt hat mich das Schicksal von Anna Stina. Mit der konnte ich so gut mitfühlen und ich fand sie so mutig und liebenswert. Auch bei ihrer Flucht aus der Spinnerei war ich live dabei und habe ihr alle Daumen gedrückt.
Sehr gern mochte ich auch Cecil, nur ist der ja leider krank und steht für eine eventuelle Fortsetzung eher nicht zur Verfügung.
Fazit: man spürt die düstere Epoche in jeder Zeile. Dem Autor gelingt es, einen Mord in einen historischen Rahmen einzubetten und diesen ohne DNA-Spuren und die Mittel der heutigen Zeit zu lösen. Ich habe mich, bis auf den Anfang, sehr wohl in dem Buch gefühlt und die Seiten – vor allem im Mittelteil – geradezu verschlungen.

Rezension von Marion Dalvit


In einem düsteren Stockholm spielt sich Grausiges ab: aus den Abwässern der Stadt birgt der Kriegsveteran Cardell einen verstümmelten Leichnam; er und der sterbenskranke Sonderermittler Winge versuchen zunächst die Identität und die Herkunft des Toten zu klären, dem mit chirurgischer Präzision sämtliche Gliedmaßen entfernt und jedes Sinnesorgan genommen wurde. Bald stoßen sie in einem ominösen Club auf eine Spur.
Eine tolle Mischung aus Krimi, Mystery und Thriller in einem düsteren, bedrohlichen Ambiente!